Windkraft, Infraschall und Walgesänge

Das Interview!
Pixabay / David Mark
25. Jun. 2020
Ein Gespräch über Fakten für Verständigung

Infraschall! Ist gefährlich und macht krank. Oder nicht? Wir unterhielten uns darüber mit unserem Kollegen Florian Voigt. Er ist beim Bürgerforum der LEA unter anderem dafür zuständig, solchen Bedenken auf den Grund zu gehen.

Hörst du das?

Was meinst du? Die Lüftung? Draußen den Straßenverkehr? Oder den brummenden Rechner?

Einmal alles! Ist das schon Infraschall? Und macht das dich und mich krank?

Das, was wir hören, ist eine Schallemission der entsprechenden Geräte, die bei uns ankommt als Immission. Das nehmen wir wahr, und da ist auch Infraschall dabei. Zum Teil nehmen wir auch den Infraschall als tiefe Töne wahr, zum Teil ist er aber auch unter unserer Wahrnehmungsschwelle.

Was genau heißt überhaupt „Infraschall“?

Der Schallbereich ist in verschiedene Bereiche aufgeteilt: in den hochfrequenten Schall, in dem sich zum Beispiel Fledermäuse unterhalten oder sich mit ihren Klicklauten orientieren. Dann der Schallbereich, in dem wir Menschen uns unterhalten. Und eben der tieffrequente Infraschall, den wir nicht unbedingt wahrnehmen müssen – insbesondere, wenn es sehr tiefe Frequenzen sind. Außerdem ist die Wahrnehmung abhängig vom Schalldruckpegel.

Hast du da Beispiele?

Wenn sich Wale unter Wasser unterhalten – das ist tieffrequenter Schall.

Das benutzen manche Menschen ja auch zum Entspannen.

Walgesänge?

Foto: Pixabay / Steve Bidmead

Beruhigendes Meeresrauschen!
(Foto: Pixabay / Stevebidmead)

Walgesänge sind jetzt aber nicht die Ursache, dass sich Menschen manchmal über Infraschall beschweren oder über Windräder aufregen, die Infraschall erzeugen.

Infraschall gibt es in der Natur – wie die Walgesänge, aber zum Beispiel auch das Meeresrauschen …

… was ja auch beruhigend ist.

Meeresrauschen erzeugt auch einen Infraschall. Wir nehmen das als beruhigend wahr. Es heißt jetzt aber nicht, dass Infraschall insgesamt eine beruhigende Wirkung hätte. Und jedes technische Gerät, was zum Beispiel einen Motor hat, erzeugt einen Infraschall. Zum Beispiel eine Wärmepumpe bei einem Kühlschrank, und das hören wir manchmal auch.

Das Rauschen, das Brummen.

Genau. Es wird aber auch Infraschall erzeugt, den wir nicht wahrnehmen, dem wir uns aber täglich in unserer Wohnung aussetzen.

 

„Infraschall ist natürlich besonders

anfällig dafür, Ängste zu schüren“

 

Im Hotelzimmer haben wir diesen direkt im eigenen Raum, weil dort der Kühlschrank steht und eine Klimaanlage läuft. Und trotzdem haben wir dort meistens einen erholsamen Schlaf.

Du hast auf Grund deines Berufs viel mit Windkraftkritikern zu tun und bist auch Mediator für Kommunen. Mit was für Anliegen kommen die Menschen auf dich zu, die sich von Infraschall gestört fühlen? Was sind deren Argumente?

Es gibt natürlich Menschen, die der Windenergie positiv gegenüber stehen und Menschen, die der Windenergie negativ gegenüber stehen. Bei Menschen, die demgegenüber skeptisch sind oder Ängste haben, weil sie die Auswirkungen nicht einschätzen können, die auf sie zukommen, ist ein Thema die Schallemission – und Schall heißt über die gesamte Bandbreite.

Da ist auch der Infraschall mit dabei. Und der Infraschall ist natürlich besonders anfällig dafür, Ängste zu schüren, weil man dabei das Gefühl hat, diesen nicht zu hören, obwohl er präsent ist.

Florian Voigt

Florian Voigt vom Bürgerforum der LEA
(Foto: LandesEnergieAgentur Hessen)

Das weckt Unsicherheiten?

Auch bei den politischen Entscheidungsträgern, was dieses Thema anbelangt. Im Genehmigungsverfahren einer Windkraftanlage wird das Thema Schallimmission intensiv geprüft. Es wird darauf geachtet, dass solch eine Anlage keine negativen Auswirkungen auf die Anwohner hat. Dennoch ist Infraschall in der öffentlichen Wahrnehmung und in der politischen Diskussion ein großes Thema. 

„Wir moderieren einen Kommu-
nikations
prozess neutral“

Und das Bürgerforum der LEA kommt zum Einsatz, wenn eine Diskussion darüber eskaliert ist oder schon vorher?

Am besten ist es natürlich, wenn wir gerufen werden, bevor die Situation eskaliert, aber wir werden auch des Öfteren gerufen, wenn die lokale Diskussion schon emotional geführt wird. Unsere Aufgabe dabei ist es, neutral einen Kommunikationsprozess zu moderieren, zu organisieren und unabhängige Sachinformationen mit in die Diskussion einzubringen.

Dafür haben wir ein eigenes Format – das sind unsere Faktenpapiere. Dort behandeln wir verschiedene Spezialthemen der Energiewende und auch Spezialthemen aus dem Bereich der Windenergie, um diese zu klären.

Du hast mir die Broschüre für Infraschall mitgebracht. Das Besondere daran ist, dass dieses Faktenpapier sachlich ist und nicht rein die Meinung des Landes Hessen repräsentiert, sagtest du mir.

Kritiker sind oft dazu geneigt, eine bestimmte politische Grundsatzmeinung vorauszusetzen und die Sachlichkeit abzusprechen. Dafür haben wir die Faktenpapier und den vorgelagerten Prozess – den Faktencheck – entwickelt.

Dabei nehmen wir uns eine Fragestellung vor und laden zu einer landesweiten Veranstaltung bundesweite Fachexperten ein, die durchaus kontroverse Meinungen zu diesem Thema haben. Diese diskutieren mit uns auf der Bühne die Fakten durch, vor einem fachkundigen Publikum.

 

„Ein aufwändiger Prozess“

 

Wir dokumentieren den Diskussionsstand, also den Stand des Wissens, und erstellen daraus das sogenannte Faktenpapier. Danach erfolgt ein Konsolidierungsprozess: Jeder Fachexperte, den wir dazu eingebunden haben, schaut sich die Ergebnisse an und verifiziert, dass seine Meinung korrekt abgebildet ist und gibt das frei. Erst dann geht das Faktenpapier in den Druck.

Klingt ganz schön aufwändig. Wie lang dauert es, bis solch eine Broschüre von der Konzeption in den Druck gehen kann?

Das ist tatsächlich ein aufwändiger Prozess. Eine Veranstaltung muss durchgeführt werden. Noch aufwändiger ist das Schreiben des Faktenpapiers und vor allen Dingen der Konsolidierungsprozess. Das sind viele Abstimmungen und Schleifen, die da gedreht werden müssen. Da ist locker ein halbes Jahr ins Land gegangen, bis man solch ein Faktenpapier vorlegen kann.

Wobei man sagen muss: Dieser Prozess ist kein Gesetzgebungsprozess, sondern ein reiner Informationsprozess. Unsere Aufgabe ist es, den aktuellen Wissensstand zu erfassen und in bürgerverständlicher Sprache niederzuschreiben.

Das Faktenpapier ist nicht bindend?

Es hat keine normative Kraft, ist kein Gesetz, keine Verordnung des Landes Hessen.

Und was steht da nun drin? Gibt es eine Antwort auf die Frage, ob der Infraschall eines Windkraftwerks gesundheitsschädigend ist?

Wir bewegen uns mit den Faktenchecks in einem wissenschaftlichen Umfeld. Deshalb kann man sagen: Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird bei den heutigen gültigen Abständen von Windrädern zur Wohnbebauung nicht von schädlichen Auswirkungen auf den Menschen ausgegangen. Das ist der Stand der Wissenschaft, der sich natürlich auch ändern kann.

Deshalb bin ich auch persönlich beruhigt: In meiner Heimatkommune wird ein Windrad gebaut, und ich stehe dem sehr gelassen gegenüber, weil ich davon überzeugt bin, dass die aktuellen Regelungen ausreichen, um die Bevölkerung entsprechend zu schützen.

Wie reagieren die Menschen auf das Faktenpapier, die der Windkraft nicht positiv eingestellt sind?

Wir teilen unsere Kontakte nicht auf, ob sie Gegner oder Befürworter der Windenergie sind, aber natürlich erhalten wir verschiedene Reaktionen auf diese Faktenpapiere. Es gibt allgemeine Kritik und Rückfragen, aber auch viel Anerkennung und Zufriedenheit, weil man Klarheit in verschiedene Prozesse bringt – insbesondere auch bei politischen Entscheidungsträgern.

 

„Vielleicht ist die kritische Meinung darüber auch auf Grund einer falschen Information entstanden.“

 

Man muss sich das so vorstellen: Ein Gemeinderat in einer kleinen Kommune übt zum Beispiel seine  Funktion ehrenamtlich aus, kommt einmal in seinem Leben mit Windenergie in Berührung und ist natürlich kein Experte für Windenergie und insbesondere nicht für Infraschall. Trotzdem muss er am Ende des Tages eine Entscheidung treffen, wie sich seine Kommune zum Thema Windenergie positioniert. Diese Gruppe kommunaler Entscheidungsträger ist froh um solche Unterstützungsleistung, mit der man in bürgerverständlicher Sprache bestimmte Themen erläutert und erklärt. Das nimmt auch Ängste in der Bevölkerung.

Und was ist mit den Kritikern?

Menschen, die nach Argumenten suchen, warum man Windenergie verhindern sollte, ist es nicht Recht, wenn solche Papiere entstehen, die eine mögliche Gefahrenquellen relativieren. Wenn der Bürger eine kritische Meinung zur Windkraft hat, kann er mit uns darüber diskutieren. Vielleicht ist die kritische Meinung darüber auch auf Grund einer falschen Information entstanden.

Manchmal kann man mit solch einem Faktencheck eine Klarheit herstellen und es passiert, dass sich ein entsprechendes Misstrauen legt. Manchmal schaffen wir das nicht – aber das ist auch nur ein Angebot von uns. Das kann jeder Bürger nutzen – wir bieten nur Informationen an. Was er mit diesen Informationen macht, kann er natürlich selbst entscheiden.

An wen können sich Ortsvorsteher oder Gemeinderäte wenden bei solchen Fragen und Entscheidungen?

Ein Kontakt zur LEA ist in jeder Frage der Energiewende nie verkehrt [hier geht es zum Bürgerforum auf der Website der LandesEnergieAgentur Hessen]. Und wenn die LEA-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter vor Ort feststellen, dass es nötig ist, eine Bürgerinformationsveranstaltung zu organisieren, werden wir mit eingebunden und unterstützen diesen Prozess.

Das Gespräch führte Till Frommann.

Titelfoto: Pixabay / David Mark