Kein „AirBnB für Elektroauto-Ladestationen“

Das Interview!
Elektroauto
28. Jun. 2021
Das Start-up-Unternehmen „innocept“ hat die Ideenphase des Wettbewerbs „Science4Life“ gewonnen.

Aber was genau ist eigentlich „Science4Life“? Das erklärt LEA-Mitarbeiterin Janika Collatz hier in einem ausführlichen Interview. Womit „innocept“ zukünftig Geld verdienen will, erklärt Masih Akbar jetzt in einem launigen Gespräch. Er ist bei „innocept“ zuständig für die Geschäftsstrategie und die Finanzkommunikation. Und schon das Vorgespräch war gespickt mit Stolpersteinen.

Herr Akbar! Warum darf ich Ihr System eigentlich nicht „AirBnB für Elektroauto-Ladestationen“ in diesem Interview nennen? Im Vorgespräch hatten Sie mir das untersagt. Eigentlich trifft es das, was „innocept“ machen wird, doch ganz gut. Also: Was ist so schlimm an dieser Bezeichnung?

Wir hatten es zunächst auch so genannt, haben uns aber sehr schnell dagegen entschieden.

Warum das?

Es liegt daran, dass AirBnB die Sharing Economy sehr stark geprägt hat. Seitdem nennt sich jedes zweite Sharing-Start-Up „AirBnB für XY“.

Es gäbe dann kein Alleinstellungsmerkmal, wenn Sie sich so bezeichnen würden?

Genau.

 

Masih Akbar vom Start Up "innocept"

Masih Akbar von „innocept“
(Foto: privat)

Dann bezeichne ich Ihr Produkt jetzt nicht mehr so. Sagen Sie mir bitte: Wie funktioniert Ihr Produkt?

Im Endeffekt entwickeln wir eine Community-Plattform, auf der privat und gewerblich genutzte Ladestationen öffentlich zugänglich geschaltet werden.

Das heißt: Ladestationen, die ursprünglich nur für eine begrenzte Menge an Elektrofahrzeugen genutzt wurden, werden zu bestimmten Öffnungszeiten in eine öffentliche Ladestation umgewandelt – und auf unserer Plattform mit dem Netzwerk geteilt.

Wir entwickeln dafür die Software, werden die Plattform zur Verfügung stellen und bringen dort Angebot und Nachfrage zusammen.

Was ist das Besondere daran?

Der größte Vorteil in unserem Konzept ist, dass wir keine Investitionen tätigen müssen. Das heißt: Eigentlich müsste für eine öffentliche Ladestation ein öffentlicher Parkplatz gemietet, die Ladestation gekauft und installiert und zur Verfügung gestellt werden. Unsere Wettbewerber machen das so. Das alles ist sehr kostenintensiv und einer der Gründe, weshalb wir in der Ladeinfrastruktur so hinterher sind.

Bei uns sieht das anders aus: Wir investieren weder in Ladestationen, noch in Parkplätze, noch in die Installation oder Inbetriebnahme. „innocept“ stellt die Software zur Verfügung, mit der es möglich ist, meist schon vorhandene und eigentlich privat genutzte Ladestationen auf unserer Plattform öffentlich anzubieten. Damit erweitern wir die öffentliche Ladeinfrastruktur für Elektroautos um ein Vielfaches.

Ich vermute mal, dass Sie Gewinne erzielen werden, indem Sie prozentual an den Einnahmen beteiligt werden, die durch die Vermietung zustande kommt – Vermittlungsgebühren, nehme ich an?

Genau, richtig. Unser Geschäftsmodell sieht so aus, dass wir zum einen Gebühren für die Nutzung der Software einnehmen, die aber einen sehr kleinen Teil ausmachen werden. Wir möchten nämlich sichergehen, dass der Anbieter der Ladestation von unserem System in jeder Situation profitiert.

Den größeren Teil werden wir dadurch erhalten, dass wir eine Provision für den geladenen Strompreis einkalkulieren.

Die Innocept-App

So könnte die App aussehen, die wir nicht als „AirBnB für Ladestationen“ bezeichnen dürfen.

Ich stelle mir das so vor: Ich öffne Ihre App und schaue, ob jemand in meiner Umgebung eine Ladestation zur Verfügung stellt. Und dort kann ich dann hinfahren, mich einloggen und das Auto aufladen. Ist meine Vorstellung nah dran, wie Ihr Service sein wird? Oder ist es etwas zu naiv gedacht?

Das ist tatsächlich sehr gut zusammengefasst. Naiv gedacht ist es in dem Sinne nicht, weil wir unsererseits darauf achten, dass es einfach gehalten wird. Man schaut wo die nächste Ladestation ist, fährt dort hin, schaltet frei – und lädt.

Was ich jedoch noch hinzufügen möchte: Für uns persönlich ist es ganz wichtig, dass wir kein Parallelnetzwerk aufbauen werden.

Was heißt das?

Einfach erklärt: Schauen wir mal in die Niederlande. Dort kann jede einzelne öffentliche Ladestation von jedem Elektroautofahrer genutzt werden. Da ist es egal, bei welchem Anbieter Sie sind.

Hier in Deutschland haben wir das bisher noch nicht hinbekommen. Der E-Fahrer in Deutschland hat verschiedene Lade-Apps oder Ladekarten mit verschiedenen Ladeverzeichnissen. Er sieht dann auch nicht, wie viele Ladestationen es wirklich in der Umgebung gibt, sondern nur die seines gerade genutzten Anbieters.

Klingt kompliziert.

Ist es auch. Deshalb möchten wir jetzt nicht noch ein Parallelnetzwerk bilden, das nur für sich funktioniert. Wir werden in Netzwerke beitreten um jedem unseren Service anbieten zu können, unabhängig vom Anbieter. 

Ach so: Die Firma „innocept“ ist natürlich keine One-Man-Show. Wer gehört noch zum Team?

Das ist eine super Frage! „innocept“ besteht aus vier Mitgründern. Ich bin für die wirtschaftlichen Aspekte und auch für das Produktkonzept zuständig. Hinzu kommt ein IT-Team – das sind Ilya Klyashtornyy, Alexander Busch und Puja Saki, aktive und ehemalige Studenten der TU Darmstadt, Kommilitonen von mir. Mehr als technikaffine Kollegen! Das gesamte Team ist auch strategisch sehr stark involviert. Einen Praktikanten konnten wir auch schon engagieren.
Das Team von "innocept"

Das Team von „innocept“: Puja Saki, Alexander Busch,
Ilya Klyashtornyy und Masih Akbar (v.l.n.r.)
(Foto: privat)

Ich bin sehr glücklich darüber, mit so einem menschlich wie fachlich starken Team arbeiten zu dürfen.

Ansonsten ist Raoul Wunderle frisch dazu gekommen – als Unterstützung für mich bei wirtschaftlichen Belangen. Wir freuen uns auch zukünftig auf eine Zusammenarbeit mit ihm. Wenn es weiterhin so gut klappt, wird er bald ein vollwertiges Teammitglied sein.

Was ich ganz vergessen habe: Ihr Team und Sie haben die Ideenphase von Science4Life gewonnen. Herzlichen Glückwunsch dafür!

Vielen Dank.

Sie sind einer der drei Gewinner, und was uns als LEA Hessen besonders freut: Sie kommen hier aus Frankfurt. Weshalb haben Sie eigentlich bei diesem Wettbewerb teilgenommen, und was hat es Ihnen gebracht?

Wir waren anfangs skeptisch, weil wir schon von anderen Wettbewerben mitbekommen hatten, die qualitativ nicht so hochwertig waren – im Gegensatz zu Science4Life.

Nach einem Gespräch mit den Veranstaltern hat sich das jedoch schnell geändert: Wir haben gesehen, dass Science4Life besonders hier in Hessen nicht nur mit dem Wettbewerb fördern möchte, sondern auch Coaches zur Verfügung stellt.

Dass wir von Experten lernen, ist für ein junges Team, wie es unseres ist, besonders wichtig. Außerdem kamen verschiedene geschäftliche Kontakte dadurch sehr schnell zustande. Dementsprechend hatten wir die Möglichkeit wahrgenommen, beim Wettbewerb mitzumachen.

Wir hatten nicht damit gerechnet, zu gewinnen, das war für uns eine Überraschung – die Konkurrenz war nämlich wirklich sehr stark

Ganz schön bescheiden von Ihnen!

Bescheiden? Kann gut sein. Wir haben immer Respekt vor Visionären, vor Gleichgesinnten.

Was ist überhaupt die Ideenphase?

Der Wettbewerb ist in drei Phasen aufgeteilt – die Ideenphase, die Konzeptphase und die Businessplanphase. In der Ideenphase geht es darum, die Geschäftsidee und das Geschäftsmodell darzulegen und bewerten zu lassen, ob das so marktreif sein kann.

Diese Phase haben Sie jetzt gewonnen. Machen Sie weiter?

Wie läuft Science4Life ab?
Definitiv machen wir weiter, es wäre nicht klug von uns, nach dem ersten Sieg schon aufzuhören. Wir freuen uns auf die Konzeptphase, zu der wir unsere Unterlagen bald einreichen müssen. Das ist noch einmal viel Arbeit, was gut für uns ist, weil wir dadurch noch viel lernen können.

Welche Unterstützung erhalten Sie von Science4Life und von der LEA Hessen, die mit Science4Life kooperiert?

Zum Beispiel bekommen wir die Coaches zur Verfügung gestellt und finanziert, was großartig ist. Mit ihnen sind wir jetzt schon im Gespräch für die Konzeptphase, um noch einmal das Beste herauszuholen.

Ich muss sagen: Vor allen Dingen für ein junges Gründerteam, wie wir es sind, ist Science4Life großartig. Wir sind teilweise ja noch Studenten.

Wir sind gerade in der Frühphase darauf angewiesen, von erfahrenen Experten zu lernen, um den nächsten Schritt zu machen – und diese Möglichkeit haben wir durch Science4Life.

Dementsprechend ein riesengroßes Dankeschön dafür, dass uns diese Möglichkeiten kostenfrei zur Verfügung gestellt werden und es vor allem auch so unkompliziert funktioniert.

Wir haben mittlerweile drei Coaches aus den Bereichen Finanzplanung, Marketing und Vertrieb. Zusätzlich dazu haben wir einen weiteren Coach, der uns beim Businessplan hilft. Gemeinsam versuchen wir, unser Geschäftsmodell zu optimieren und zu schauen, wo man nachjustieren kann.

Also würden Sie Science4Life jungen Start-ups weiterempfehlen?

Ich würde es nicht nur weiterempfehlen. Ich würde sogar sagen, dass es in der frühen Phase nach der Gründung eines Unternehmens sogar ein Pflichtprogramm ist – aus dem ganz einfachen Grund, weil wir in den vergangenen zwei Monaten sehr viel lernen durften durch die ganzen Möglichkeiten, die uns Science4Life geboten hat.

Das Gespräch führte Till Frommann.

Wer sich für den „Science4Life Energy Cup“ interessiert und teilnehmen möchte, kann sich bei der LandesEnergieAgentur Hessen informieren (Ansprechpartnerin: Meltem Akan, Tel.: +49 611 95017-8663, E-Mail: meltem.akan@lea-hessen.de) sowie auf der Website https://www.science4life.de/.

Titelbild: Pixabay / hrohmann